Hasso-Plattner-Institut25 Jahre HPI
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Joaquin Santuber Hermosilla

"Designing for Digital Justice: an Entanglement of People, Law, and Technologies in Chilean Courts"

Durch COVID-19 mussten zu Beginn des Jahres 2020 die Gerichte weltweit, um ihren Dienst fortzusetzen, Onlinekommunikation und digitale Technologien nutzen. Die digitalen Technologien haben die Gerichtspraktiken in einer Weise verändert, die kurz vor der Pandemie noch undenkbar war, was zu Resonanzen mit der Rechtsprechung und der gesetzlichen Regelung sowie zu Reibungen führte. Ein besseres Verständnis der Dynamik, die bei der Digitalisierung von Gerichten im Spiel ist, ist von entscheidender Bedeutung für die Gestaltung von Justizsystemen, die ihren Nutzern besser dienen, faire und zeitnahe Streitbeilegung gewährleisten und den Zugang zur Justiz und zur Rechtsstaatlichkeit fördern. Aufbauend auf den drei großen Themenkomplexen E-Justiz, Digitalisierung und Organisationen sowie Designforschung verfolgt „Designing for Digital Justice“ einen nuancierten Ansatz, um menschliche und nicht-menschliche Akteure zu berücksichtigen.

Mit Hilfe eines qualitativen Forschungsansatzes habe ich die Digitalisierung der chilenischen Gerichte während der Pandemie, insbesondere im Zeitraum von April 2020 und September 2022, eingehend untersucht. Auf der Grundlage einer umfassenden Quelle von Primär- und Sekundärdaten habe ich die Genealogie der neuartigen Materialisierung von Gerichtspraktiken zurückverfolgt, die durch die Möglichkeiten der digitalen Technologien strukturiert wurden. In fünf (5) Fallstudien zeige ich im Detail, wie die Gerichte 1) aus der Ferne arbeiten, 2) Anhörungen per Videokonferenz abhalten, 3) mit Nutzern über soziale Medien (beispielsweise Facebook und Chat Messenger) in Kontakt treten, 4) eine Sendung mit Richtern, die Fragen von Nutzern beantworten, über Facebook Live ausstrahlen und 5) Gerichtsverhandlungen aufzeichnen, streamen und auf YouTube hochladen, um die Anforderungen an die Öffentlichkeit von Strafverhandlungen zu erfüllen. Hierbei zeigt sich, dass digitale Technologien der Justiz zwar eine kontinuierliche Bereitstellung von Dienstleistungen ermöglichten. Sie bergen aber auch die Gefahr, dass sie die traditionelle gerichtliche und rechtliche Regulierung verdrängen.

Als Beitrag zum Forschungsstrom zu „Liminal Innovation“ und Digitalisierung theoretisiert „Designing for Digital Justice“  vier Phasen: 1) Vor-Digitalisierung, die zur Entwicklung von Regulierung führt, 2) der Hotspot der Digitalisierung, der zur Ausweitung der Regulierung führt, 3) digitale Innovation, die die Regulierung neu entwickelt (Übergang zu einer neuen, provisorischen Phase) und 4) die Permanenz der temporären Praktiken, die die Regulierung verdrängt. Als Beitrag zur Designforschung bietet „Designing for Digital Justice“ neue Möglichkeiten für die Gestaltung von Justizsystemen, indem es Spannungen und Interventionsebenen miteinander verbindet. Forscherkolleg*innen finden auf diesen Seiten eine fundierte theoretische Weiterentwicklung an der Schnittstelle von Digitalisierung und Justiz sowie neue methodische Hinweise. Praktiker sollen von dem Handlungsrahmen „Designing for Digital Justice Model“ profitieren, der drei Handlungsfelder für die Gestaltung besserer Justizsysteme bietet. Nur wenn wir die digitalen, rechtlichen und sozialen Akteure berücksichtigen, können wir bessere Systeme entwerfen, die sich für den Zugang zur Justiz, die Rechtsstaatlichkeit und letztlich den sozialen Frieden einsetzen.