Hasso-Plattner-InstitutSDG am HPI
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30.04.2013

Potsdam. Mit einer neuen Technologie wird das Hasso-Plattner-Institut (HPI) helfen, die Prozesse bei der Produktion, Archivierung und Distribution von Film- und Fernsehinhalten effizienter zu gestalten. Bei einem „D-Werft“ genannten Projekt in Potsdam-Babelsberg steuern die Informatikwissenschaftler des HPI die Kerntechnologie bei, wie das Institut mitteilte. Dadurch können sämtliche produktionsbezogenen Daten aller am Medienwertschöpfungsprozess Beteiligten in eine gemeinsame Wissensbasis übersetzt werden. Diese sorgt dafür, dass die vielen verschiedenen Informationen für Computer lesbar und korrekt interpretierbar sind - also vom Rechner „verstanden“ werden können. Für die ständig wechselnden technologischen Komponenten brauchen somit nicht immer wieder neue Übersetzungsprogramme geschaffen zu werden.

Einzelheiten stellte das HPI auf einer Pressekonferenz des Verbundprojekts vor, an dem 15 Partner beteiligt sind. Bis 2016 sollen - als „regionaler Wachstumskern“ vom Bund gefördert - insgesamt acht Millionen Euro in die Erforschung und Entwicklung der Technologieplattform fließen, die „Linked Production Data“ genannt wird.

„Gerne tragen wir als Informationstechnologen in Babelsberg dazu bei, dem Film- und Fernseh-Standort hier einen weltweit einzigartigen Vorsprung in der digitalen Produktion zu verschaffen“, erklärte HPI-Direktor Prof. Christoph Meinel. Nicht einmal in Hollywood gebe es eine derartige Know-how-Kombination und -Dichte von Film, Fernsehen und IT, ergänzte der Informatikwissenschaftler. In Babelsberg arbeiten auf rund einem Quadratkilometer Fläche über 100 Unternehmen und Institutionen mit gut 2.600 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro in diesem Bereich.

Als Problem haben Experten jedoch ausgemacht, dass viele im Zusammenhang mit der Bewegtbildproduktion eingesetzte Technologien nicht miteinander vereinbar sind und es kaum Vernetzung zwischen den Bereichen gibt, so dass Informationen und Daten oft immer wieder neu erhoben werden müssen. Nicht selten erscheinen auf Zelluloid oder Magnetband produzierte Filminhalte kaum wirtschaftlich digitalisierbar zu sein und für einen erfolgreicheren Vertrieb fehlt es an Sichtbarkeit, Verwertung und Rechtssicherheit in der digitalen Welt.

Hier setzen die Informatikwissenschaftler des Hasso-Plattner-Instituts an und wollen Babelsberg zu einer modernen, effizienten Film- und Fernsehproduktion verhelfen, bei der alle Teilschritte lückenlos digital unterstützt sind - von der Idee über Drehbuch, Aufzeichnung, Schnitt und Nachbearbeitung bis zur Speicherung, elektronischen Verbreitung und Suche in Archiven. „Sämtliche dabei anfallenden Informationen sollen, so unser Ziel, verlustfrei miteinander verknüpft und gemeinsam genutzt werden können - dank offener, miteinander vereinbarer Standards und maschinenverständlicher Wissensrepräsentationen“, erläutert Projektleiter Dr. Harald Sack, Senior Researcher im HPI-Fachgebiet Internet-Technologien und –Systeme.

Was man wissen muss: Bei allen Arbeitsschritten in der Produktion von digitalen Bewegtbildern fallen nicht nur die audiovisuellen Daten an, sondern auch Meta-Daten, die den sichtbaren Inhalt beschreiben, aber auch Informationen z.B. zu Drehbuchdetails, verwendeten Requisiten, Mitwirkenden vor und hinter der Kamera oder zu technischen Einzelheiten, etwa der Kameraeinstellungen oder Nachbearbeitung, beinhalten. „Weil die einzelnen Arbeitsprozesse noch nicht genügend miteinander verknüpft sind, können solche Meta-Daten zur Produktion und Verwertung bislang nicht durchgängig bereitgestellt werden. Sie gehen praktisch verloren - ein enormes Potenzial für effizientere Herstellung bleibt ungenutzt“, betont HPI-Wissenschaftler Sack.

Sein Forscherteam wird durch entsprechende Technologien künftig dafür sorgen, dass diese Daten mit Hintergrundwissen angereichert und „übersetzt“ werden, damit sie sich für semantische Analysen eignen. Dafür müssen in natürlicher Sprache ausgedrückte Informationen um eine formale Beschreibung ihrer Bedeutung (Semantik) ergänzt werden, die auch von Computern korrekt interpretiert und somit „verstanden“ werden kann. Dadurch, dass die HPI-Forscher Bewegtbildinhalte und andere Daten mit semantischen Angaben anreichern, können bei der Suche inhaltliche Verbindungen miteinander erkannt und für exploratives Navigieren, also Stöbern, im Material genutzt werden. Dies spart Zeit und Geld und hilft dem Benutzer, sich besser im bislang unüberschaubaren Dickicht von Videodatenbanken zurechtzufinden.

Hintergrund zur Wissensbasis „Linked Produktion Data Cloud“

Die vom Hasso-Plattner-Institut in das D-Werft-Projekt eingebrachte Kerntechnologie für die gemeinsame Wissensbasis wird “Linked Production Data Cloud” genannt. Diese Bezeichnung lehnt sich an den Begriff “Linked Open Data” an. Er ist von einer Initiative eingeführt worden, die zum Ziel hat, Informationen aus öffentlich verfügbaren Datenbanken in einem standardisierten Format zu publizieren und die enthaltenen Daten miteinander zu verknüpfen. Dabei werden die verfügbaren Daten mit einer standardisierten Kennzeichnung fürs Internet versehen (Uniform Resource Identifier, URI) und können - so identifiziert - direkt im Netz übertragen werden sowie auch auf andere Daten verweisen. Idealer Weise werden zur Kodierung und Verlinkung der Daten solche Methoden verwendet, die dafür sorgen, dass Linked Open Data gleichzeitig Teil des Semantic Web sind, d.h. es wird gemeinsam mit diesen Daten Hintergrundwissen (Ontologien) hinterlegt, damit sie vom Rechner „verstanden“ werden können. Die miteinander verknüpften Daten ergeben ein weltweites Netz.

Die im Babelsberger D-Werft-Projekt vorgesehene Datenvernetzung geschieht über eine dezentrale, verteilte Wissensbasis. Jeder Projektpartner verwaltet zunächst einmal seine eigene Wissensbasis, die sich aus den semantisch angereicherten Metadaten der von ihm verantworteten Prozesse zusammensetzt. Weil alle Partner dasselbe Grundschema zur Verarbeitung der Angaben nutzen, können deren eigene Wissensbasen dann virtuell miteinander zu einer großen Datenbank verknüpft werden.

Beispiel: Wenn z.B. ein Partner den Titel und die Informationen der Dreh-Besetzung eines Films vorhält, muss ein anderer Partner (z.B. beim Klären von Verwertungsrechten) diese Daten nicht extra abfragen, sondern kann sie dank der HPI-Technologie einfach direkt verwenden, obwohl sie „eigentlich“ im System des anderen Partners vorliegen.

Kurzprofil Hasso-Plattner-Institut

Das Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik GmbH (HPI) in Potsdam ist Deutschlands universitäres Exzellenz-Zentrum für IT-Systems Engineering. Als einziges Universitäts-Institut in Deutschland bietet es den Bachelor- und Master-Studiengang „IT-Systems Engineering“ an – ein besonders praxisnahes und ingenieurwissenschaftliches Informatik-Studium, das von derzeit 450 Studenten genutzt wird. Die HPI School of Design Thinking, Europas erste Innovationsschule für Studenten nach dem Vorbild der Stanforder d.school, bietet 240 Plätze für ein Zusatzstudium an. Insgesamt zehn HPI-Professoren und über 50 weitere Gastprofessoren, Lehrbeauftragte und Dozenten sind am Institut tätig. Es betreibt exzellente universitäre Forschung – in seinen neun Fachgebieten, aber auch in der HPI Research School für Doktoranden mit ihren Forschungsaußenstellen in Kapstadt, Haifa und Nanjing. Schwerpunkt der HPI-Lehre und -Forschung sind die Grundlagen und Anwendungen großer, hoch komplexer und vernetzter IT-Systeme. Hinzu kommt das Entwickeln und Erforschen nutzerorientierter Innovationen für alle Lebensbereiche. Das HPI kommt bei den CHE-Hochschulrankings stets auf Spitzenplätze. Mit openHPI.de bietet das Institut seit September 2012 ein interaktives Internet-Bildungsnetzwerk an, das jedem offen steht.

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